Resilienz

Resilienz für (Erziehungsstellen-)familien

Resilienz ist in aller Munde. Aber was genau versteht man unter Resilienz und sind Resilienz-Konzepte auch auf Familien anwendbar?

Was verstehen wir unter Resilienz?

Als Resilienz wird die Fähigkeit bezeichnet, auf Belastungen, Stress und Krisen zu reagieren und diese durch den Zugriff auf die eigenen Stärken und Ressourcen zu überwinden. Oft wird auch von der psychischen Widerstandsfähigkeit gesprochen.

Wie resilient ein Mensch ist, hängt von vielen verschiedenen inneren und äußeren Faktoren ab. Dazu gibt es zahlreiche Erklärungsmodelle. Wir befassen uns heute damit, welche Bedeutung Resilienz im Alltag von (Erziehungsstellen-)familien haben kann.

Resilienz in der Werkstoffkunde

Der Begriff Resilienz stammt ursprünglich aus der Werkstoffkunde und wird vom lateinischen Begriff resilire (Bedeutung: zurückspringen, abprallen, nicht anhaften) abgeleitet. Er beschreibt die Eigenschaft eines Materials, sich verformen zu lassen und danach in seine Ausgangsform zurückzufinden.

Synonyme für Resilienz

Resilienz wird oft als Widerstandskraft bezeichnet. Als Synonyme für Resilienz werden häufig auch die Wörter Stabilität, Toleranz, Robustheit, Anpassungsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit, Standhaftigkeit, Zähheit und  Ausdauer verwendet.

Resilienzmodelle

Um das umfangreiche Thema Resilienz zu erklären, gibt es unterschiedliche Ansätze und Theorien. Zu den häufigsten Resilienz-Modellen gehören „Die sieben Säulen der Resilienz“, bei der die sieben verschiedenen Säulen gemeinsam das Dach eines Hauses tragen. Das ursprüngliche Modell wurde von Ursula Nuber entwickelt und gehört zu den bekanntesten Resilienz-Modellen. Mittlerweile sind zahlreiche Variationen daraus entstanden. Daneben gibt es auch Modelle, die sich anderer Erklärungsbilder bedienen und zum Beispiel mit Kompetenzfeldern oder Kreisen arbeiten.

Die sieben Säulen der Resilienz

Unser Magazin-Beitrag orientiert sich an dem Modell „Die sieben Säulen der Resilienz“ von Ursula Nuber. Dabei tragen die sieben Säulen Optimismus (1), Akzeptanz (2), Lösungsorientierung (3), Opferrolle verlassen (4), Verantwortung übernehmen (5), enge Bindung/Netzwerkorientierung (6) und Zukunftsplanung (7) das Dach des „Resilienz-Hauses“. Wir bringen hier die sieben Säulen in Bezug zum Alltag einer (Erziehungsstellen-)familie.

Resilienz für Erziehungsstellenfamilien

Resilienz für Erziehungsstellenfamilien

1. Optimismus

Optimismus ist eine wichtige Eigenschaft im Umgang mit Herausforderungen im Erziehungsstellenalltag. Wer schwierigen und herausfordernden Situationen etwas Positives abgewinnt, schaut zuversichtlicher auf die Gegenwart und Zukunft des Familienlebens und auf das Kind. Diese Fähigkeit zum Optimismus ist eine der wichtigsten Ressourcen für (Erziehungsstellen-)familien, denn jedes Familienleben bringt neben vielen Glücksmomenten auch turbulente Zeiten mit sich.

2. Akzeptanz

Als Akzeptanz wird das aktive Anerkennen von Umständen und Tatsachen bezeichnet. Im Erziehungsstellenalltag bedeutet das auch, erkennen zu können, was (noch) nicht zu verändern ist. Gerade Familien wissen, dass das Leben oft phasenweise verläuft und Themen für einen bestimmten Zeitraum oben liegen, bis eine neue Phase mit neuen Schwerpunkten beginnt.

Manche Phasen oder Situationen lassen sich nicht oder noch nicht verändern, da Menschen verschiedene Entwicklungsschritte durchlaufen (Beispiel: die Trotzphase bei Kindern). Diese Phasen/Situationen gilt es zu akzeptieren, auszuhalten und auf Entwicklung zu vertrauen. „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!“ (afrikanisches Sprichwort)

3. Lösungsorientierung

Lösungen suchen und finden macht Spaß, ob bei einer kniffligen Rechenaufgabe, beim „Black Stories“-Spielen oder Puzzeln, beim Umgestalten der Wohnung. Demgegenüber stehen Stress und negative Gefühle, wenn man in einer Problemschleife steckt und über scheinbar unlösbare Fragen grübelt.

Sich ganz bewusst mehr mit einer möglichen Lösung und dem Weg dorthin zu beschäftigen, reduziert den Stress, genauso wie die Wahrnehmung von und Gespräche über die kleinen Erfolge im Erziehungsstellenalltag.

4. Opferrolle verlassen

Erziehungsstellenkinder sind „öffentliche“ Kinder. Die Beteiligung Dritter kann Situationen schaffen, die durch die Erziehungsstelleneltern wenig oder kaum beeinflusst werden können – zum Beispiel durch die Kooperation mit Jugendämtern, der Herkunft, mit Vormünder:innen oder einem Träger.

In der Fachberatung ermutigen wir auch in diesen Situationen unsere Erziehungsstelleneltern dazu, bewusst zu schauen, an welchen Stellen sie dennoch selbstwirksam werden können – auch mit kleinen Veränderungen. Selbst aktiv werden, mitgestalten, an der Lösungsfindung beteiligt sein – dies gibt Kraft und minimiert das Gefühl, den Umständen ausgeliefert zu sein.

5. Verantwortung übernehmen

Um für die verantwortungsvolle Aufgabe als Erziehungsstellenfamilie gerüstet zu sein, ist es wichtig, die eigene Widerstandskraft durch persönliche Selbstpflege-Routinen, die den Alltag flankieren, zu stärken. Für (Erziehungsstellen-)eltern kann das in der Praxis manchmal zur Herausforderung werden. Wie können die eigenen Ressourcen gestärkt werden, ohne die Bedürfnisse eines anspruchsvollen Kindes zu vernachlässigen?

Manchmal hilft dabei der Blick auf die vermeintlich kleinen Dinge im Leben. Das können zum Beispiel sein: Die kleine Kaffee-Auszeit, wenn alle aus dem Haus sind, das Telefonat mit dem besten Kumpel nach einem anstrengenden Tag, die Sonnenstrahlen im Gesicht auf dem Spielplatz.

6. Enge Bindungen/Netzwerkorientierung

Bindung ist ein wichtiges menschliches Bedürfnis. Wir sind soziale Wesen und brauchen Bindungen und Beziehungen, um uns zugehörig, geborgen und wohl zu fühlen sowie weniger Stress aufzubauen.

Manche Kinder erfahren in einer Erziehungsstellenfamilie zum ersten Mal ein sicheres und langfristiges Bindungsangebot. Daher finden wir, dass es eigentlich BEZIEHUNGSSTELLE heißen sollte.

Die Säule „Enge Bindung“ wird in verschiedenen Resilienz-Modellen oft „Netzwerkorientierung“ oder „Starkes Netzwerk“ genannt. Auch außerhalb der Erziehungsstellenfamilie profitieren sowohl Kinder als auch Eltern von Verbindungen mit anderen Menschen – zum Beispiel beim Austausch unter Gleichgesinnten. Hier können Sie ihre Erfahrungen einbringen, Unterstützung, Verständnis und ein offenes Ohr finden.

7. Zukunftsplanung

Für die berufliche und persönliche Entwicklung ist es wichtig, sich Ziele in der Zukunft zu stecken, die man erreichen möchte. Funktioniert das auch für eine Familie, wo mehrere individuelle Interessen zusammenkommen? Wir sagen ja. Die Zukunftsplanung sollte aber realistisch sein. Die Frage „Wo sehen wir uns als Familie in einem oder in mehreren Monaten/Jahren?“ ist für jede Familie individuell zu beantworten.

Während eine (Erziehungsstellen-)familie sich auf das Ziel eines gemeinsamen Urlaubs freut, bedeutet die Unterbrechung der gewohnten Routine durch einen Urlaub für eine andere (Erziehungsstellen-)familie Chaos. Während eine (Erziehungsstellen-)familie sich auf eine große Familienfeier freut, arbeitet eine andere (Erziehungsstellen-)familie an dem Ziel, dass wieder ein normaler und unaufgeregter Familienalltag einkehrt.

So individuell sind Wünsche, Bedürfnisse und Zukunftsplanungen.

Unser Tipp: Bleiben Sie bei allen Planungen flexibel und beweglich. Und verlieren Sie nie die kleinen Highlights des Alltags aus den Augen!

Eine gute Resilienz gehört zu den Eigenschaften, die zukünftige Erziehungsstelleneltern mitbringen sollten. Was darüber hinaus entscheidend ist, erfahren Sie hier: Eigne ich mich als Pflege- oder Erziehungsstellenfamilie?

Wer möchte, findet hier Erklärungen zu weiteren Resilienzmodellen: Resilienz-Akademie

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