Eignung als Erziehungsstelle oder Pflegefamilie

Eigne ich mich als Erziehungsstelle oder Pflegefamilie?

Eine Frage, die Sie sich sicher schon gestellt haben, wenn Sie mit dem Gedanken spielen, einem Kind ein neues Zuhause zu geben. Aber welche Vorraussetzungen müssen eigentlich erfüllt sein, damit man sich als Pflegefamilie oder Erziehungsstelle bewerben kann? Welche Kriterien sind entscheidend für die Eignung als Erziehungsstelle oder Pflegefamilie?

Die 6 wichtigsten Kriterien – und was darüber hinaus entscheidend ist

Context e.V. begibt sich Tag für Tag mit Familien auf diesen Weg und begleitet Sie in ihrem persönlichen Prozess „Erziehungsstelle zu werden“. Daher möchten wir unsere Erfahrung und unser Wissen teilen und Ihnen im Folgenden nicht nur die sechs wichtigsten Kriterien aufzeigen, die über eine grundsätzliche Eignung entscheiden, sondern auch erläutern, was darüber hinaus noch zählt.

Die Eignung als Erziehungsstelle oder Pflegefamilie ist nicht gesetzlich festgeschrieben

Es könnte so einfach sein: Ein bundeseinheitliches Gesetz mit festgelegten Bestimmungen, was Menschen als Pflegefamilie oder Erziehungsstelle mitbringen müssen. Tatsächlich fehlt dies jedoch. Das maßgebende Gesetz ist das achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe). Hier wird jedoch nur von „Eignung“ gesprochen, dieses Attribut aber nicht mit Inhalt gefüllt. Dazu bedarf es ergänzender Ausführungsgesetze des entsprechenden Bundeslandes. Doch auch diese sind nicht eindeutig formuliert.
Einig ist man sich darin, dass neben zu erfüllenden äußeren Rahmenbedingungen auch die persönliche Eignung einer Person entscheidet. Die Frage „Eigne ich mich als Erziehungsstelle oder Pflegefamilie?“ ist also nicht generalisiert zu beantworten. Doch der Reihe nach:

Die 6 wichtigsten Kriterien, um Erziehungsstelle oder Pflegefamilie werden zu können

Es gibt sechs Kriterien (äußere Rahmenbedingungen), die Gewicht haben und die grundlegend darüber entscheiden, ob man als Pflegefamilie oder Erziehungsstelle geeignet ist. Diese Kriterien werden in persönlichen Gesprächen mit dem Jugendamt und mit einem freien Jugendhilfeträger, wie Context e.V., abgefragt, überprüft und bewertet.

1. Stabiler familiärer Rahmen

Ein stabiler familiärer Rahmen als Voraussetzung, Pflegefamilie oder Erziehungsstellenfamilie zu werden, klingt genauso viel-, wie nichtssagend. Versuchen wir Licht ins Dunkel zu bringen: Es ist nicht relevant, wer sich hinter dem „familiären Rahmen“ verbirgt. Das kann die klassische Familienkonstellation Mutter, Vater Kind(er) sein, ein Paar – auch gleichgeschlechtlich, verheiratet oder unverheiratet, oder eine Einzelperson. Wichtig sind dabei die Ernsthaftigkeit und Langfristigkeit der bestehenden Beziehungen und der Entscheidung, die Familienkonstellation erweitern zu wollen. Dabei sind alle Familienangehörigen gefragt, die Entscheidung gemeinsam mitzutragen.

2. Gesundheitliche Voraussetzungen

Die Hauptpflegeperson(en) dürfen keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufweisen, die einer zuverlässigen Betreuung eines Kindes entgegenstehen. Dabei ist stets der Einzelfall zu betrachten. (Eine Diabeteserkrankung, gut eingestellt, ist dabei höchstwahrscheinlich kein Hinderungsgrund, wohingegen eine ausgeprägte Epilepsie ggf. ein Ausschlusskriterium sein könnte.) Wichtig ist es hier, offen und transparent über möglichen Einschränkungen zu sprechen und deren Bedeutung und Einfluss gemeinsam zu bewerten.

3. Gesicherte wirtschaftliche Verhältnisse

Die Entscheidung, Pflegefamilie oder Erziehungsstellenfamilie werden zu wollen, sollte eine Herzensentscheidung sein und nicht von finanziellen Gesichtspunkten motiviert werden. Das Einkommen der Familie muss daher in jedem Fall auch ohne die Einnahmen durch eine Pflege- oder Erziehungsstellentätigkeit sichergestellt sein.

4. Einwandfreies erweitertes Führungszeugnis

Hier lässt das Gesetz keinen Entscheidungsspielraum zu: Gemäß § 72a SGB VIII können Personen, gegen die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren, insbesondere wegen des Verdachts einer Straftat nach den Vorschriften der §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i, 201a Absatz 3, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs eingeleitet wurde, bzw. die wegen der Begehung einer Straftat im Sinne der vorgenannten Straftatbestände rechtskräftig vorbestraft sind, keine Pflege- bzw. Erziehungsstellentätigkeit ausüben. Es muss daher regelmäßig ein erweitertes Führungszeugnis aller Familienmitglieder über 16 Jahren vorgelegt werden.

5. Kindgerechte Räumlichkeiten

Wer als Pflegefamilie oder Erziehungsstellenfamilie ein Kind bei sich aufnehmen möchte, sollte über die Möglichkeit verfügen, dem Kind angemessene, kindgerechte Räumlichkeiten und ein eigenes Zimmer zur Verfügung zu stellen.

6. Zeitliche Ressourcen

Die Pflegefamilie oder Erziehungsstellenfamilie sollte über ausreichend zeitliche Kapazitäten verfügen, sich um das Kind mit all seinen Bedarfen und Bedürfnissen zu kümmern. Das heißt nicht, dass dies eine parallele berufliche Tätigkeit ausschließt. Es gilt vielmehr, das Leben familienfreundlich und kindorientiert auszugestalten und den Bedürfnissen aller Beteiligter Rechnung zu tragen – in gleicher Weise, wie Sie bei einem leiblichen Kind entscheiden würden.

Die persönliche Eignung als Pflegeperson oder Erziehungsstelleneltern

Lange wurde daran festgehalten, dass Pflegepersonen und vor allem Erziehungsstelleneltern neben der Erfüllung der äußeren Rahmenbedingungen eine pädagogische Vorbildung mitbringen müssen. Kein unwesentliches Kriterium – entscheidend sind jedoch auch darüber hinausgehende Faktoren, die im Folgenden nochmals näher erläutert werden und uns so noch näher an die Beantwortung der Frage „Eigne ich mich als Pflegefamilie oder Erziehungsstellenfamilie?“ bringen.

Erzieherische Kompetenz

Für die Tätigkeit als Pflegfamilie oder Erziehungsstellenfamilie ist pädagogische Eignung, und vor allem die Bereitschaft, diese zu erwerben und permanent zu erweitern, unumgänglich. Wie und wann diese jedoch erworben wurde/wird, ist nicht entscheidend. In einem Sachstandsbericht des deutschen Bundestages aus dem Jahr 2017 wird gem. der gängigen juristischen Literatur darauf hingewiesen, dass es „(…) in der Vollzeitpflege (…) nicht nur darum (gehe), ein Kind zu betreuen; vielmehr gehe es darum, erzieherische Defizite zu kompensieren und dauerhafte Lebensbedingungen für das Kind herzustellen“. Dabei dürften keine übertriebenen Anforderungen an die erzieherischen Kompetenzen gestellt werden, der Rahmen der Erziehung in einer Pflegfamilie oder Erziehungsstellenfamilie sollte hingegen so „normal“ wie möglich sein.

Reflektions-, Kooperations- und Lernbereitschaft als Schlüssel zu einer erfolgreichen Pflegefamilien- bzw. Erziehungsstellentätigkeit

Mit der Entscheidung Pflegefamilie oder Erziehungsstellenfamilie sein zu wollen, muss das Bewusstsein einhergehen, dass man ein Stück weit „öffentliche Familie“ wird. Man übernimmt die Alltagssorge und Erziehung des Kindes, jedoch haben andere Mitwirkende, wie Jugendamt, Vormund, Herkunftsfamilie und ggf. ein öffentlicher Träger der Jugendhilfe immer ein Mitspracherecht. Daher ist Kooperationsbereitschaft eine unumgängliche Fähigkeit, die Sie als Pflegefamilie oder Erziehungsstelleneltern mitbringen sollten. Unser Ziel als Träger ist es, Sie in Ihrer Tätigkeit als Erziehungsstelle bestmöglich zu begleiten, in dem wir Sie kontinuierlich fachlich beraten und unterstützen, insbesondere auch dann, wenn es zu schwierigen Situationen kommt. Sie werden also stetig dazu lernen und ihr Handeln reflektieren. Toleranz, Geduld, Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Belastbarkeit gehören ebenfalls zu den Eigenschaften, die zum Gelingen beitragen.

Was muss man tun, um Pflegefamilie oder Erziehungsstelle zu werden?

Es gibt zwei Wege, Pflegefamilie oder Erziehungsstellenfamilie zu werden:

Sie können sich als künftige Pflegefamilie bei Ihrem ortsansässigen Jugendamt bewerben oder Sie wenden sich an einen freien, anerkannten Jugendhilfeträger, wie Context e.V., um Erziehungsstellenfamilie zu werden.

Context e.V. begibt sich zusammen mit Ihnen auf den Weg und begleitet Sie in Ihrem Prozess, Erziehungsstellenfamilie zu werden. Der Prozess ist dabei stets ergebnisoffen. Unser Ziel ist es, mit Ihnen zu erarbeiten, ob Erziehungsstelle zu sein das passende Konzept für Sie ist und ob Sie und Ihre Familie bereit dazu sind. Auch die Eingangsfrage „Eigne ich mich als Pflegefamilie oder Erziehungsstellenfamilie?“ besprechen wir gerne ganz individuell mit Ihnen. Dabei entstehen für Sie keine Kosten!
Neben persönlichen Gesprächen und dem Austausch mit erfahrenen Fachkräften bieten wir Ihnen die Teilnahme an unserem TÜV-zertifizierten Erziehungsstellenvorbereitungsseminar. Hier werden Sie nicht nur fachlich intensiv an das Thema herangeführt, sondern haben auch die Gelegenheit, sich mit anderen Menschen, die ebenfalls vor dem Schritt stehen, einem fremden Kind ein liebevolles Zuhause bei sich zu bieten, auszutauschen. Ebenso fördern wir den Austausch mit Familien, die bereits diesen Schritt gegangen sind und über eigene Erfahrungen berichten können.

Wenn Sie neugierig sind, Fragen haben, mehr über das Thema erfahren und Context e.V. kennenlernen möchten, stehen wir Ihnen nach Ihrer Kontaktaufnahme gerne zur Verfügung.

Wir freuen uns auf ein persönliches Gespräch – wie, das entscheiden Sie:

  • Telefonisch
  • Per virtuellem Treffen
  • In einem Gespräch bei Ihnen zu Hause, auf Ihrer Terrasse, in unseren Räumlichkeiten, im Context e.V. Garten oder auf einem gemeinsamen Spaziergang.

Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf und teilen Sie uns Ihren Wunschtermin mit.

 

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