Irrtümer und Irrglauben

Die größten Irrtümer und Irrglauben, wenn es um die Eignung als Pflege- oder Erziehungsstellenfamilie geht

In unserer täglichen Arbeit mit Erziehungsstellenfamilien nach § 33 Satz 2 SGB VIII beantworten wir viele Fragen von Menschen, die mit dem Gedanken spielen, ein Kind aufzunehmen – besonders zu Beginn ihrer Reise. Dabei sind uns einige sich wiederholende Irrtümer und Irrglauben aufgefallen, die Interessierte häufig davon abhalten, weiter in das Thema „Pflegekind“ einzutauchen. Nicht selten ist der Weg dann bereits zu Ende, bevor er richtig begonnen hat, da die Betroffenen glauben, die Voraussetzungen nicht zu erfüllen.

Mit diesen Fehlannahmen möchten wir heute aufräumen.

1. Wer ein Erziehungsstellenkind aufnehmen möchte, muss verheiratet sein!

Ein Trauschein entscheidet nicht über die Eignung als Pflege- oder Erziehungsstellenfamilie. Jedes Kind ist einzigartig und hat individuelle Bedürfnisse. Daher ist es nur passend, dass auch die aufnehmenden Familien bunt, unterschiedlich und vielfältig sind. Vom klassischen Familienmodell über Paare (verheiratet, unverheiratet, anders- oder gleichgeschlechtlich) bis zu Einzelpersonen als Alleinerziehende ist alles möglich. Im Vordergrund steht ein sicheres, langfristiges und liebevolles Bindungsangebot fürs Kind.

2. Pflege- oder Erziehungsstelleneltern dürfen nicht älter als 40 Jahre alt sein!

Auch wer älter als 40 Jahre ist, kann ein Erziehungsstellenkind aufnehmen. Eine starre Altersobergrenze für Erziehungsstelleneltern gibt es nicht. Zum einen wird geprüft, was das Kind tatsächlich braucht. Manche Kinder benötigen dynamische Menschen, die mit ihnen über Wiesen rennen und auf Bäume klettern, während andere Kinder Erwachsene brauchen, die Ruhe ausstrahlen und ihr Fels in der Brandung sind. Zum anderen ist von Belang, welche individuellen Stärken die Erziehungsstelleneltern mitbringen. Das exakte Alter spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle, solange das Altersverhältnis zwischen Erziehungsstelleneltern und Kind annehmbar ist.

3. Als Erziehungsstellenmutter oder -vater (§ 33 Satz 2 SGB VIII) muss ich eine pädagogische Ausbildung oder ein Studium mitbringen!

Wer bei uns eine Erziehungsstelle gemäß § 33 Satz 2 SGB VIII werden möchte, muss nicht zwingend eine pädagogische Ausbildung oder ein entsprechendes Studium mitbringen. Die Erziehungsstelle nach § 33 Satz 2 gehört, wie die Pflegefamilie, zu den familiären Vollzeitpflegen. Sie ist keine berufliche Tätigkeit. Damit sind eine entsprechende Ausbildung und/oder ein Studium keine notwendige Voraussetzung für die Aufnahme eines Erziehungsstellenkindes. Jede Art von Vorwissen, pädagogischer Erfahrung, Qualifikation und erzieherischer Kompetenz kann jedoch hilfreich sein.

Verwechslungsgefahr:

Es gibt auch die Erziehungsstelle nach § 34 SGB VIII. Diese gehört zum Bereich der Heimerziehung und setzt ein pädagogisches Studium der Erziehungsstelleneltern voraus. Mehr über Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden gleichnamigen Pflegeformen erfahren Sie hier:

https://www.context-ev.de/magazin/erziehungsstelle-sgb-viii/

4. Es ist nicht gerne gesehen, wenn Pflege- oder Erziehungsstelleneltern sich als praktizierende Gläubige zu einer Religionsgemeinschaft bekennen!

Religionsfreiheit ist im deutschen Grundgesetz verankert. Damit gilt die Freiheit des Glaubens oder auch des „Nicht-Glaubens“ und die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung. Diese Freiheit und gegenseitige Akzeptanz ist für alle zu wahren – auch im Familiensystem. Das gilt sowohl für die Pflege- und Erziehungsstelleneltern als auch für das Erziehungsstellenkind. Die leiblichen Eltern haben übrigens in der Regel das Erstbestimmungsrecht, wenn es um die Religionszugehörigkeit des Kindes geht.

Zukünftige Pflege- und Erziehungsstelleneltern sollten vor Einzug eines Kinds für sich entscheiden, ob sie

  1. einen fremden Glauben in ihren Familienalltag integrieren können und
  2. ihre Religion praktizieren können, ohne das Kind in seiner Entwicklung einzuschränken.

Am Ende des Tags setzen wir von Context e.V. uns immer für Akzeptanz und Vielfalt ein – auch in Fragen des Glaubens oder des Nicht-Glaubens. So, wie die von uns betreuten Kinder verschiedenen Glaubensgemeinschaften angehören, sind auch bei unseren Erziehungsstelleneltern unterschiedlichste Religionszugehörigkeiten zu finden.

 

Wir hoffen, dass wir hier mit einigen falschen Annahmen aufräumen konnten. Wenn Sie jetzt noch wissen möchten, was wirklich über die Eignung als Pflege- oder Erziehungsstellenfamilie (§ 33 Satz 2, SGB VIII) entscheidet, lesen Sie hier weiter.

Was muss ich mitbringen, um eine Erziehungsstellenfamilie werden zu können?

Sie möchten wissen, was es bedeutet, eine Erziehungsstellenfamilien bei Context e.V zu sein?

Die Erziehungsstelle als Vollzeitpflege für Kinder

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